Yvonne & Gunter Gabriel: Denkmal

Yvonne & Gunter Gabriel Denkmal Albumcover

Yvonne Gabriel setzt ihrem berühmten Vater und Country-Legende Gunter Gabriel ein faszinierendes Denkmal

„Hey Yvonne, hol mir die Mami ans Telefon.“ Wer diese 1974 entstandene Zeile zuordnen kann, kennt die Stimme von Yvonne Gabriel, Gunter Gabriels Tochter. Als damals Siebenjährige hat sie ihren Teil des Duetts von „Hey, Yvonne“ ihrem Vater in den Telefonhörer gesprochen, er schrieb dabei (oder später) mit. Heraus kam ein Hit über das Ende einer Beziehung und dem Leid des beteiligten Kindes, das sich nicht die Verantwortung für den Zustand ihrer Mutter vom Vater in die Schuhe schieben lässt. Über Jahrzehnte hinweg performten beide zusammen dieses Stück zu diversen Anlässen, zu einem Anlauf für Yvonne als eigenständige musikalische Künstlerin kam es bisher jedoch noch nie.

Jetzt, nach dem tragischen Tod des 2017 verstorbenen Mannes, der einerseits als heimische Country-Ikone sowie Songschreiber mit Herz für die sogenannten „kleinen“ Leute in die bundesdeutsche Musikgeschichte einging; andererseits allerdings einen zweifelhaften Ruf genoss als Schwerenöter, dem wirtschaftliches Geschick so ziemlich abging und der deswegen seiner erbenden Tochter in erster Linie Schulden hinterließ, könnte sich das ändern. Yvonne Gabriel hat inzwischen drei Jungs groß gezogen, die Schulden ihres Vaters getilgt sowie ein Buch über ihn geschrieben.

Ein trauriger wie freudiger Anlass

Mit „Denkmal“ präsentiert sie nun ein Album, das Unveröffentlichtes neben Neu-Arrangiertem offenbart – von und mit ihrem Vater oder von ihr selbst. Produziert von Swen Meyer (Cro, Olli Schulz, Superpunk) sowie Wolfgang Stach (BAP, Akua Naru, Sodom) bietet „Denkmal“ ein ebensolches auf zwölf Songs; nicht jeder hat dabei das Zeug zum Klassiker. Wer bisher noch nie etwas anfangen konnte mit der Musik Gunter Gabriels wird hier nicht posthum zum Fan mutieren. Für Menschen, die die Worte wie den Sound des Songschreibers vermissen, der auch für Juliane Werding, Frank Zander oder Peter Alexander schrieb und der in späten Jahren nicht nur von Punk-Ikonen geehrt wurde wie z.B. Xao Seffcheque oder Die Kassierer (auf der 2004 erschienenen Hommage „Liebe, Autos, Abenteuer“), sondern ebenso von seinem großen Idol Johnny Cash, (dessen Songs er 2003 für ein Album auf deutsch vertonte), ist „Denkmal“ jedoch ein freudiger Anlass.

Die Ambivalenz des Gunter Gabriel

Ein Highlight dabei ist „Auch im Bentley wird geweint,“ (nicht der gleichnamige Song von Deichkind/Clueso), der die ganze Ambivalenz in der Rezeption der Gestalt Gabriels auf den  Punkt bringt, privat wie künstlerisch. „Auch im Porsche fließen Tränen“, heißt es da weiter, „auch auf der Luxusyacht in Cannes, gibt es ausweglose Szenen“. Das ist weniger neu entfachte Sympathie für das Kapital als die Binsenweisheit, dass „die da oben“ ebenso nur mit Wasser kochen sowie „weniger oft mehr“ ist. Selbstreflexion eines Mannes, der beide Seiten des Erfolges kannte in einem neuen Song, für den Gabriel zu Lebzeiten keinen geeigneten Produzenten fand.

Ein gefundenes Demo von Gunter Gabriel

Yvonne & Gunter Gabriel Denkmal Albumcover

Als Demo auf Gabriels Hausboot gefunden wurde „Nimm mich, wie ich bin“ – der Opener wurde posthum zum Duett geformt. „Ich war schon da als es noch Langspielplatten gab“ kokettiert der Ältere hier, „Ich bin die Kerze auf Deinem Grab“ antwortet die Tochter. Versprochene Verlässlichkeit, untermalt von soliden Mundharmonika-Einsätzen und einer Gitarrenarbeit zwischen Honky Tonk und Grand Ole Opry – mit Schlager, der vom Country sanft geküsst wurde hat das weniger zu tun als mit ländlichem amerikanischem Singer/Songwriter-Roots-Rock. Ein starker Beginn.

Country aus dem Lehrbuch, auch in seinen antiquierten Rollenklischees, stellt „Was wärt Ihr Männer“ dar. Die dort zur Schau gestellte Emanzipation stagniert auf Siebzigerjahre-Niveau. Damals allerdings war „Wenn Du denkst Du denkst dann denkst Du nur Du denkst“, welches Gunter Gabriel für Juliane Werding geschrieben hat und in dem die Protagonistin sich das Recht herausnimmt, sich auf die gleiche Weise zechend wie zockend zu vergnügen wie die Jungs, ein Quantensprung. In heutigen Zeiten ist dieses propagierte Geschlechterbild ein Anachronismus, welches zu Erleben nur durch wohlwollende Nostalgie akzeptabel erscheint.

Die Klassiker von Gunter Gabriel

Ein paar Klassiker erfahren einen Relaunch: „Meine Helden“, eine von Gabriels zahllosen Oden an die Malocher unter uns, büßt als Duett das Berufsbild der „Kumpel“ unter Tage ein. Gibt’s ja kaum noch. Aktuell erscheint das Stück trotzdem nach wie vor; auch wenn ein paar Berufsgruppen fehlen, die es seit der Pandemie verdient hätten explizit erwähnt zu werden und denen die Politik ständig ins Gesicht spuckt. Oder: „Komm unter meine Decke“, das von Yvonne Gabriel alleine gesungen und dabei sanft umgedeutet wird. Der Text wird dabei nicht verändert und präsentiert uns dadurch aus dem aktiven Wortschatz fast verschwundene Vokabeln wie zum Beispiel „Kofferradio“. Der Song wird in zwei Versionen präsentiert, wobei die „Tanzversion“ überflüssig ist, weil seicht, lahm und uninspiriert.

Eine Abschiedsstück von Yvonne Gabriel

„Ich bin Dein Mann“ ist Gunter Gabriels Version von Leonard Cohens „I’m Your Man“ – wer das für Sakrileg hält hat noch nicht mitbekommen, dass Gabriels Übersetzungen immer auf Augenhöhe zum Original waren und sind. In Einzelfällen wie z.B. Radioheads „Creep“ („Ich bin ein Nichts“ bei Gabriel, 2009) kann man sogar feststellen, dass er sich das Original perfekt zu Eigen gemacht und dadurch geadelt hat. Das Titelstück „Denkmal“ ist komplett von Yvonne geschrieben und gesungen, eine Abschiedsnummer. „Wie gerne wäre ich jetzt bei Dir“ singt sie da, oder: „Ich bau Dir ein Denkmal für die Ewigkeit“. Ihre Songs sind näher am neueren Schlager: moderner als der Rest arrangiert, wenn man „modern“ mit „austauschbar“ assoziiert. Dabei hat Yvonne Gabriel eine tolle, erzählende Singstimme, die einen gewagteren Klangteppich verdient hätte.

Covern konnte er auch. Immer.

Am Ende erscheint der Senior noch mal auf der Tonfläche und covert einen anderen großen deutschsprachigen Songschreiber-Solitär, der mit seinen Stücken weit aus der Schlagerwelt der Siebziger heraus ragte: „Merci Chérie“ von Udo Jürgens ist mit seinem Bombast-Verzicht in dieser Version sehr gut bei Gunter Gabriel aufgehoben – verkörpert sie doch eine Bodenständigkeit, die dem Stück guttut und das Wesen Gabriels dabei noch einmal abschließend repräsentiert. „Was bleibt sind deine Worte, weniger ist mehr“, wie die Tochter an anderer Stelle gesungen zu Protokoll gibt.

Eine liebevolle Hommage der Tochter Yvonne Gabriel

Yvonne Gabriel hat eine für Nostalgiker wie Siebziger-Affine hervorragende Platte zur Welt gebracht, die darüber hinaus ein sehr liebevolles und gelungenes „Denkmal“ an ihren Vater darstellt, dessen Ruf als hochklassiger Singer/Songwriter durch seine Eskapaden und Probleme in der öffentlichen Wahrnehmung stark gelitten hat. Respekt dafür. Mal schauen, was wir von Yvonne Gabriel nun noch erwarten dürfen.

„Denkmal“ von Yvonne & Gunter Gabriel erscheint am 03.02.2023 bei Premium. (Beitragsbild: Albumcover)

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